Der Night Walk, ein Fotografie-Event auf dem Brückenweg, hinab ins Sittertobel, das weniger ein Spaziergang war als vielmehr ein sinnlicher Dialog mit der Dunkelheit.
Der Night Walk, ein Fotografie-Event auf dem Brückenweg, hinab ins Sittertobel, das weniger ein Spaziergang war als vielmehr ein sinnlicher Dialog mit der Dunkelheit.
Der Abstieg führte tiefer in das Tobel hinab, wo der Fluss lauter wurde, der Nebel dichter, die Dunkelheit fast greifbar. Der Pfad wurde schmaler, die Schritte vorsichtiger. Doch die Kamera suchte weiter – nach Kontrast, nach Linien, nach dem, was sich im Schatten verbirgt. Ein tosender Strom, der sich zwischen Felsen brach. Ein Lichtkegel, der aufsprühte wie Goldstaub auf nasser Rinde. Ein Moment, in dem die Natur nicht nur fotografiert wurde – sondern den Fotografen anschaute.
Mit Stativen über der Schulter, Taschenlampen als letzte Verbindung zur Alltagswelt, traten wir ein in eine Landschaft, die sich im Eindunkeln neu erfand. Die ersten Aufnahmen entstanden dort, wo Tag und Nacht sich die Hand reichen: am Rande des Pfades, wo der letzte Schein der untergegangenen Sonne noch die Baumkronen streifte. Doch schnell wurde klar – hier ging es nicht um das Festhalten des Gesehenen, sondern um das Einfangen des Gefühlten.
Licht wurde zum Werkzeug der Emotion. Mit Langzeitbelichtungen fingen die Fotograf:innen den Atem des Tobels ein: das tosende, silbrig schäumende Wasser des Sitter, das sich durch die Schlucht fraß wie ein lebendiges Wesen. Blitze aus Taschenlampen zerschnitten die Dunkelheit – gezielt, künstlerisch, fast wie Botschaften an die Nacht. Ein Strahl hier, ein Schimmer dort – und schon stand ein Baum im Licht, als hätte er nur darauf gewartet, gesehen zu werden.
Die überdeckten Brücken – stille Wächter aus Holz und Geschichte – wurden zu Kulissen der Magie. Unter ihrem Dach herrschte eine andere Zeit. Der Wind hielt den Atem an. Der Nebel, der sich langsam aus dem Fluss erhob, kroch durch die Ritzen, legte sich wie ein Schleier über die Planken. Und dann – das Knirschen. Ein Geräusch, das aus der Tiefe kam. Nicht bedrohlich, aber ehrlich. Die Bäume, die im Wind schwankten, ächzten leise, als erzählten sie Geschichten aus Jahrhunderten.
Hier, zwischen den Balken der alten Brücken, entstanden die stärksten Bilder: Lichtbahnen, die durch die Finsternis schnitten, Spiegelungen im feuchten Holz, Silhouetten von Menschen, die wie Geister durch das Dunkel wandelten. Die Kamera wurde zum Medium – nicht nur der Sicht, sondern der Stimmung.
Und dann – der Aufstieg. Steil, atemraubend, fast symbolisch. Denn als wir die Gangelibrugg erreichten, öffnete sich die Landschaft wie ein Vorhang. Der Blick hinab in die Tiefe war spektakulär: ein Abgrund aus Schatten und Sternenlicht, durchzogen vom silbernen Band des Flusses. Die Brücke, ein filigranes Metallkonstrukt, schwebte über dem Nichts – und wir darauf, winzig, aber wach.
Hier, auf dieser Hängebrücke, die im Wind leicht vibrierte, entstanden die ikonischsten Aufnahmen des Abends: Menschen, die in die Tiefe blickten, als suchten sie Antworten. Licht, das sich in den Seilen fing. Der klare Nachthimmel, der sich über den Gipfeln spannte wie ein schwarzer Samtvorhang mit funkelnden Nadelstichen.
Der Night Walk auf dem Brückenweg im Sittertobel war mehr als ein Fotografie-Event. Er war ein Ritual. Ein Moment der Stille, der Konzentration, der Hingabe an das, was nicht laut ist – sondern tief. Er erinnerte daran, dass Schönheit nicht nur im Licht liegt, sondern in der Art, wie es die Dunkelheit berührt.
Die Kamera hat an diesem Abend nicht dokumentiert – sie hat empfunden. Und wer dabei war, trägt nun nicht nur Bilder auf der Speicherkarte, sondern eine Erinnerung im Herzen: die Nacht, die atmet. Das Licht, das spricht. Und der Fluss, der niemals schläft.
Fotografie: Licht als Sprache der Nacht.
Ort: Sittertobel, zwischen den Brücken, Nebel und Ewigkeit.
Gefühlt: 13°C, 100% Luftfeuchtigkeit, 1000% Gänsehaut.
Vielen Dank für die Bilder: Fredi Schefer, Oliver Hurni, Günther Rietmann und Willy Zimmermann
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